Seniorenpubertät

Neulich…

…kam eine Klientin nach langer Zeit wieder mal zu mir.
Und es stellte sich heraus, als sie blumig und ausführlich ihr Befinden schilderte, dass
sie, in diesem Jahr 50 Jahre alt geworden, alle Symptome dessen zeigte, was ich
„Seniorenpubertät“ nenne.

Ich fragte sie:
„Kennst du dieses Gefühl: ‚Ich fühle mich zu alt, um jung zu sein, aber
auch noch viel zu jung, um alt zu sein‘?“*

Sie lief rot an und nickte heftig.

„Und du hast das Gefühl: Das Alte stimmt nicht mehr, aber das Neue ist
auch noch nicht da!?“

Wieder heftiges Nicken.

„Und du willst oder kannst es nicht mehr allen recht machen?“

Ja, ja, ja!

„Du fühlst dich weder Fisch noch Fleisch?“

Ein Wackeldackel in vertikal sitzt mir gegenüber.

„Hast du deinen Hormonspiegel schon mal überprüfen lassen?“

Große Augen – und dann:
„Nicht nötig – ich weiß Bescheid!“

Ich wollte noch was loswerden:

„Wir Frauen jenseits der Fünfzig (und manche auch schon vorher) sind
mehr oder weniger plötzlich nicht mehr dieselben.
Ja, natürlich hängt es mit der Verabschiedung der fruchtbaren Phase in
unserem Leben zusammen. Und das ist für viele völlig in Ordnung.

Wir befürchten (und erleben es manchmal knallhart), dass wir als Frau
nicht mehr attraktiv sind, denn die Hormone spielen nicht mehr mit. Die
Pheromone, die zur Eisprungzeit ganz unterhalb der Bewusstseinsschwelle
verströmt werden, haben uns verlassen – kein Mann dreht sich mehr SO
um, wie es früher war.

Im Gegenteil: Die Hormone spielen verrückt und man weiß einfach nicht
mehr, wer man überhaupt noch ist!

Wer, um Himmels Willen, steht einem bei und kann einem erklären, was
wir da gerade erleben?

Dieses Durcheinander – vorher gab es einen mehr oder weniger stabilen
Zyklus. Das heißt, auch wenn nicht alle Phasen im Zyklus angenehm
waren, aber es gab einen Rhythmus!

Mit der Blutung wurden Gifte ausgeschieden – wo soll der Körper jetzt
damit hin? Er ist irritiert und probiert – so scheint es – aus, welchen Weg
er jetzt nehmen muss, um das Gleichgewicht der Körpersäfte wieder
herzustellen.“

Die Klientin wirkte sehr erleichtert, dass hier die Dinge auf den Punkt
gebracht wurden.

„Es kann passieren, dass jemand, der an dich denkt, bei dir eine Hitze-
Welle auslöst. Es reicht, wenn jemand kurz davor ist, dich anzurufen oder
dein Haus zu betreten – dir läuft der Schweiß den Rücken runter.
Merkwürdige Strategie des Körpers. Aber wer weiß, vielleicht wunderbar
und hilfreich?“

Im Laufe der Sitzung reichte es, einige Übungen zur Selbstzentrierung und
auch Trennungsübungen zu machen, um der Klientin wirksame
Erleichterung für ihren Zustand zu verschaffen.

Im Alltag lassen sich die Übungen wunderbar und jederzeit anwenden.
Wichtig ist dabei nur – und damit entließ ich eine glückliche, deutlich
entspannte und motivierte Frau:

„Nicht vergessen – hier gibt es keine Überdosierung! Also übe so oft, wie
es nur geht! Es kann dir nur gut tun!“

Ach ja:
Auch ihr hatte ich im Laufe der Sitzung eine bestimmte, wichtige Frage
gestellt, wie vorher schon so vielen (meistens Frauen):
„Wer ist der wichtigste Mensch in deinem Leben?“

Bin gespannt, ob DU die Antwort kennst…


*frei zitiert aus dem Film „Grüne Tomaten“ (Ninny Threadgoode, gespielt
von Jessica Tandy, zu Evelyn Couch, gespielt von Kathy Bates)

©Sylvia Götting, Blumenstr.9, 50259 Pulheim, www.allerleyraum.de

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